4. Jun. 2016
Wien - Vielleicht wussten Sie ja gar nicht in welcher Gefahr Sie sich befunden haben! Seit Ende Mai ist jedoch alles besser. Super Nowak, der Held der gleichnamigen Sendung der zur deutschen PRO7/SAT1 Gruppe gehörenden österreichischen TV Senders Puls 4, macht mit Unterstützung des medial allzeit präsenten Physikers Werner Gruber „Esoterik-Scharlatanen“ den Garaus. Tatort: die Esoterikmesse in der Wiener Stadthalle. Aurafotografie, Reinkarnation und Karma? Ufosichtungen und Kornkreise? Super Nowak regt sich auf!
Gehören Sie zur Berufsgruppe der EnergetikerInnen? Dann darf ich Ihnen gratulieren! Mit einem durchschnittlichen
Jahresumsatz von über 118.000 Euro, somit monatliche Bruttoeinnahmen von fast 10.000 Euro, gehören Sie durchaus
zu den wohlhabenden Österreichern. Wenn Sie nicht diese Zahlen erwirtschaftet haben, dann machen Sie offensichtlich
etwas falsch. Denn wie in der Sendung „Super Nowak – der Held der Konsumenten“ vom Dienstag dem 24.5.2016 auf Puls 4
berichtet, erwirtschaftete die Energetikerbranche allein im Jahr 2013 bereits 2 Milliarden Euro, Tendenz steigend.
Bei aktuell 16.922 aktiven EnergetikerInnen in Österreich kommt man dabei auf ein Monatseinkommen, das weit über
dem Durchschnitt liegt und damit nicht nur positive Aufmerksamkeit, sondern naturgemäß auch Argwohn und Kritik
auf sich zieht: darf man mit ein bisschen Pendeln tatsächlich soviel verdienen? Darf man so etwas überhaupt beruflich
ausüben?
Falsche Zahlen?
Ich kann Sie beruhigen bzw. muss ich Sie enttäuschen, falls Sie bereits Ihre lukrative Zukunft in dieser Branche
quasi in der Kristallkugel gesehen haben. Während im TV-Beitrag von erwähnten 2 Milliarden Euro die Rede war, schreibt
Puls 4 auf seiner Homepage in der Themenvorschau zur genannten Folge von „Super Nowak“, dass die ÖsterreicherInnen ca.
zwei Millionen Euro jährlich für esoterische Beratungen ausgeben. Ob es sich dabei nun um einen Druckfehler auf der
Homepage handelt, oder die genannte Zahl in der Sendung falsch war, bleibt fraglich. Eine tatsächliche aktuelle
Umsatzzahl wurde uns von der WKO bis zu unserem Redaktionsschluss leider noch nicht bestätigt. Unseren internen
Recherchen zufolge liegt der tatsächlich von der Berufsgruppe der EnergetikerInnen erwirtschaftete Umsatz österreichweit
bei geschätzten 200 Millionen Euro. Der monatliche Umsatz der/des Einzelnen würde sich so aufgerundet auf Euro 1.000,-
monatlich belaufen. Auch bei dieser Summe – denke ich – wird sich die Sorge, dass hier eine einzige Branche die
ÖsterreicherInnen um ihr letztes Hemd bringt, in Grenzen halten.
Money for nothing
Der Stein des Anstoßes ist bei allen Kritikern der energetischen Methoden hauptsächlich, dass hier Leistungen verkauft
würden, die als solche in unserer aufgeklärten Welt nicht existieren können. Den Beweis dafür tritt der Held der
Konsumenten mit Hilfe eines Experten auf der Wiener Esoterikmesse in der Wr. Stadthalle an. Das ist das Schema der
Sendung, Leistungen werden auf ihre Qualität und Seriosität anhand eines kompetenten branchen- und gesetzeskundigen
Vertreters einer Berufsgruppe bzw. einer darüberstehenden Institution bewertet. Diese Vorgangsweise erscheint sinnvoll
und hat den ZuseherInnen dieser Sendung schon wertvolle Informationen geliefert. Nun, wer eignet sich beim Thema
energetische Behandlungsmethoden und Esoterik besser dazu hier den Expertenstatus zu übernehmen als der Physiker Werner
Gruber?
Die Sendung mit dem Anliegen Konsumenten zu schützen ist hier also erstmals von ihrem Konzept abgewichen, Leistungen im
Rahmen der branchenspezifischen und gesetzlichen Kriterien zu bewerten und dazu übergegangen, die Seriosität diverser
Methoden bzw. der Dokumentation verschiedener Phänomene in Frage zu stellen, da ihr Effekt bzw. ihre Existenz
wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist. Das ist zwar eine Tatsache über die durchaus diskutiert werden kann, hat
jedoch mit der in dieser Berufsgruppe angebotenen Leistungen und den Ausstellern auf einer Esoterikmesse nichts zu tun,
da dieser Anspruch nicht erhoben wird. Die von den EnergetikerInnen angebotenen Dienstleistungen beziehen sich
größtenteils auf den – wissenschaftlich anhand anerkannter Methoden bisher nicht nachweisbaren - feinstofflichen Körper
und das energetische Gleichgewicht des Menschen.
Das erste Gebot: Du darfst nicht heilen!
Gerade die EnergetikerInnen haben bei der Ausübung ihres Berufes klare Gesetze zu befolgen. Der Gesetzgeber hat sehr
wohl der fehlenden Anerkennung von Wissenschaft und Schulmedizin Rechnung getragen und den EnergetikerInnen die Befolgung
genauer Richtlinien auferlegt. So dürfen sie z.B. ihre Behandlungsmethode nicht als Heilmethode bezeichnen, das Wort
„Heilen“ und „Heilung“ ist in jeder Form aus dem beruflich zur Anwendung kommenden Wortschatzes zu streichen. So soll
vermieden werden, dass ein Klient, eine Klientin, unrealistische Hoffnung in eine bestimmte Methode setzt oder der
Eindruck entsteht, diese Methode könnte eine medizinische Untersuchung durch einen Arzt ersetzen. EnergetikerInnen sind
dazu angehalten, Menschen mit gesundheitlichen Beschwerden zu einem Arztbesuch zu raten. Das und mehr, wie z.B. der
Preis der Behandlung oder die Frage, ob hier versucht wird eine Abhängigkeit zu schaffen um den/die KlientIn möglichst
lange an sich zu binden, wären Kriterien gewesen, nach denen ein Test durchgeführt werden könnte. Eine wissenschaftliche
Verifizierbarkeit steht hier allerdings nicht zur Debatte. Die Vorgangsweise in der Sendung Super Nowak entspricht der
Idee, einen Fleischhauer (Metzger) als Experten in ein veganes Restaurant mitzunehmen, um die darin angebotenen
Sojaschnitzel –angesichts der Tatsache dass sie kein Fleisch enthalten – als Betrug zu entlarven.
Irisdiagnostik: Ich seh Dir in die Augen Kleiner!
Dennoch treten die Protagonisten dieses Beitrags mutig ihre Mission an und Werner Gruber begibt sich in die Hände bzw.
vor das Mikroskop einer Ausstellerin die Irisdiagnostik anbietet. Wie Sie es sich vielleicht schon gedacht haben, konnte
er keine der gesundheitlichen Schwachstellen, wie z.B. Verdauungs- und Blutdruckprobleme, die die Irisdiagnostikerin zu
sehen meinte, bestätigen. Was er offensichtlich nicht wusste: in der Irisdiagnostik geht es auch nicht unbedingt um die
Diagnostik von organisch bereits manifestierten Symptomen. Wer braucht noch eine Irisdiagnose wenn sich die Beschwerden
in einem bestimmten Organsystem bereits in unangenehmer Weise bemerkbar machen? Die Irisdiagnostik ist jedoch in der
Lage, organische Schwächen und bestimmte gesundheitliche Konstitutionen, die der Körper aktuell noch kompensiert und
sich davon symptomfrei zeigt, bereits im Ansatz zu erkennen und schafft so die Möglichkeit gezielt prophylaktisch
einzugreifen. Leider ist die Irisdiagnostikerin in dieser Sendung zum Thema Möglichkeiten und Grenzen ihrer Methode
nicht zu Wort gekommen und so wurde ein völlig falsches Bild vermittelt.
UFOs und Kornkreise
Zwei weitere Aussteller dieser Messe, die hier der Verbreitung wissenschaftlich nicht bewiesener Tatsachen überführt
wurden, war ein Kornkreisforscher und jemand der Dokumentationsmaterial über die Sichtung von Ufos bereithält, verzeihen
Sie die holprige Ausdrucksweise, was diese Aussteller genau machen und welchen Zweck sie verfolgen wurde in diesem
Beitrag gar nicht erwähnt. Die Diskussion die Experte Werner Gruber mit diesen Menschen führte ist auch nicht
erwähnenswert, da Routine: Nein, keine Beweise für Ufos, Kornkreise von Menschenhand gemacht. Im ersteren Fall ist diese
Aussage evident, eine Existenz von UFOs ist nie bewiesen worden. Es ist jedoch auch nie bewiesen worden, dass
außerirdisches Leben nicht existiert. Es soll sogar Wissenschaftler geben, die sich mit diesem Thema ernsthaft
auseinandergesetzt haben, wie z.B. Stephen Hawking, der im Bereich der empirischen Wissenschaft Physik sicher schon
bahnbrechenderes geleistet halt als viele andere Physiker. Stephen Hawking, Physiker von Weltrang, gilt
als eines der wenigen lebenden Genies unserer Tage.
Was die Herkunft der Kornkreise betrifft - es gab schon einige Versuche ganz bestimmte festgehaltene und dokumentierte
Kornkreise nachzubauen. Diese Versuche scheiterten jedoch allesamt, da die meist in kürzester Zeit erscheinenden
Kornkreise nicht nur über eine hochgenaue Präzision verfügen, sondern bei einem Durchmesser von bis zu 200 m und darüber
hinaus keinen einzigen gebrochenen oder geknickten Grashalm, geschweige denn zertrampelte Regionen aufweisen. Auch
Biophysikalische Untersuchungen gaben den Forschern schon Rätsel auf, da an Pflanzenproben signifikante Anomalien
gefunden wurden.
Alles in allem sind dies im Falle der Kornkreise ungelöste und im Falle der Diskussion um die Möglichkeit der Existenz
außerirdischen Lebens nicht komplett auszuschließende Phänomene unserer Welt. Das große Geld ist damit nicht zu machen.
Es handelt sich dabei um Menschen, die sich mit großer Leidenschaft diesen faszinierenden Phänomenen widmen und eine
Esoterikmesse nutzen, um interessierten Besuchern Informationsmaterial, Vorträge und Bücher anzubieten. Scharlatane?
Wahrsager, Kartenleger: „Gebts ka Göd für so an Bledsinn aus!“
(Übersetzt ins Deutsche: Gebt kein Geld für so einen Blödsinn aus!) Als letzten Beitrag zum Thema Esoterik begab sich
der Superheld noch in die Rolle eines Wahrsagers, um zu beweisen, dass auch hier absolut nichts dahintersteckt und
gleichsam jeder sich als Wahrsager und Kartenleger ausgeben kann. Das ist natürlich möglich, jedoch Erfolg im Sinne
dessen, dass man neuerlich aufgesucht, sogar empfohlen wird, ist mit einer banalen Vorstellung wie Super Novak sie hier
gegeben hat wohl nicht zu erreichen. Sein Tipp: „Gebts ka Geld für so an Bledsinn aus“ stimmt bezogen auf seine
eigne Performance tatsächlich. Eine echte mediale Beratung läuft anders ab, gibt keine vagen Zukunftsprognosen sondern
versucht durch mediale bzw. intuitive Einsicht Möglichkeiten, verborgene Motive, Fallen und Chancen aufzuspüren.
Motivforschung
Was motiviert einen anerkannten TV-Sender zu so einem undifferenzierten Rundumschlag auf eine ganze Branche? Fassen wir
zusammen: Echte Kriterien, nach denen jemand eine energetische Beratung auf ihre Seriosität hin beurteilen könnte,
wurden den ZuseherInnen nicht in die Hand gegeben. Es wurden einerseits die Umsätze, die in dieser Branche gemacht
werden, angeprangert, andererseits die Tatsache, dass sie mit Methoden erzielt werden die wissenschaftlich nicht
anerkannt sind. Es wurde sogar behauptet, dass hier teilweise Scharlatane am Werke sind. Es wurde also nicht die
Qualität, das „Wie“ sie arbeiten in Frage gestellt, sondern das „Was“ sie tun im Allgemeinen, und: dass damit Geld zu
verdienen ist.
Ich denke dass diese Art mit dem Thema umzugehen nicht einmal Absicht sondern einfach Routine und fehlendes Wissen ist.
Was als Begriff „Esoterik“ immer wieder zusammengefasst wird, ist ein großes Feld völlig unterschiedlicher Themen und
Zugänge. Da haben wir einerseits die verschiedenen energetischen Behandlungsmethoden wie Aromatherapie, Farbtherapien,
Craniosacraltherapie etc., andererseits jene, die sich mit der Existenz unerklärlicher Phänomene auseinandersetzen wie
eben die Kornkreise und die Möglichkeit Außerirdischen Lebens. Sie verkaufen keine „Methode“, sie halten Vorträge und
organisieren eventuell Reisen zu interessanten Orten dieser Welt. Andere Themen sind wiederum religiös, spirituell bzw.
aus dem religiösen Kontext herausgelöst eher philosophisch zu betrachten, wie die Reinkarnationslehre und das Konzept
von Karma. Aus den religiösen Schriften des Hinduismus gehen z.B. auch das Yoga und das Tantra hervor.
Es bräuchte also tatsächlich etwas Hintergrundwissen, um die Methoden bzw. Angebote dieser Branche zu bewerten. Aus
irgendeinem Grund ist es aber so, dass bei diesen Themen jeder Mensch, auch ohne jegliche spezifische Bildung oder
Vorkenntnis be- bzw. abwerten darf, einfach weil ein Angebot nicht seinem Verständnis, seinem Weltbild entspricht.
Noch dazu bleibt es für eine TV-Anstalt ohne wirtschaftliche Konsequenzen, auf diese Branche einzuprügeln. Es ist hier kein Verlust durch fehlende Werbeschaltungen zu befürchten, wie es bei anderen Branchen, die hierzulande über eine Lobby verfügen, zu erwarten wäre.
Nichtsdestotrotz etablieren sich diese Methoden immer mehr und gewinnen das Vertrauen der Menschen, die zusätzliche zu
unserem Gesundheitssystem nach Wegen suchen, etwas für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu tun. Das Bewusstsein, für
die eigene Gesundheit – auf allen Ebenen – selbst verantwortlich zu sein, wird immer größer. Auch die Frage nach dem Sinn
des Lebens sowie spirituelle Fragen gewinnen gerade jetzt immer mehr an Bedeutung.
New Deal?
Noch einen weiteren Aspekt dieser Routine, die Energetiker- und Esoterikbranche immer wieder in ein zweifelhaftes Licht
zu stellen, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Die EnergetikerInnen arbeiten auf selbständiger Basis, schaffen sich somit
ihren Arbeitsplatz selbst und tragen mit ihren Steuern dazu bei, dass das System Österreich aufrechterhalten werden kann.
Selbst haben sie als beruflich „Selbständige“ in unserem System klare Nachteile jedem Angestellten gegenüber. Die
Selbständigkeit in dieser Branche ist für viele jedoch eine Möglichkeit, sich nicht nur beruflich zu verwirklichen
sondern überhaupt – angesichts der hohen Arbeitslosigkeit - für das eigene Einkommen zu sorgen.
Die österreichische Bundesregierung sieht sich aktuell gefordert, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen, um die steigende
Arbeitslosigkeit, die steigende Armut, die steigenden Ausgaben für Sozialleistungen usw. irgendwie aufzuhalten. Ist es
angesichts dessen wirklich sinnvoll, eine ganze Branche immer wieder in ihrer Existenzberechtigung zu hinterfragen?
Der neue österreichische Bundeskanzler Christian Kern prägte den Begriff „New Deal“ und verlieh mit diesem Schlagwort
seinem Wunsch Ausdruck, auf politischer Ebene auch parteiübergreifend zu kooperieren, andere Meinungen, Ideen und
Zugänge einmal grundsätzlich gelten zu lassen und gemeinsam, mit vereinten Kräften Probleme zu lösen. Miteinander
statt Gegeneinander.
Dieser New Deal wäre auch in der medialen Darstellung der EnergetikerInnen bzw. der Esoterikbranche wünschenswert.
Dass das möglich ist beweist der österreichische Privatsender ATV mit seiner mehrteiligen Dokumentation „Neue Gurus“,
die einen völlig neutralen Blick auf die Anbieter aus dieser Branche wirft und damit interessante und informative
Einblicke bietet. ATV geht hier mit gutem Beispiel voran und es ist zu hoffen, dass dies Schule macht.
Vielleicht belehrt uns aber auch Werner Gruber wie so oft eines Besseren und baut diesen Sommer mithilfe von ein paar
„Agrarburschen“ einen Kornkreis in einer Perfektion nach, die präzise den dokumentierten Eigenschaften entspricht.
Vielleicht wird er bei diesem Tun auch vor laufender Kamera von Außerirdischen entführt und ihre Existenz ist damit
bewiesen. Eines jedenfalls ist dann offensichtlich: Sie haben Sinn für Humor!
Ein Kommentar der Redaktion Bewusst Sein Bewusst Sein
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