17. Feb. 2016
Wien - Die Ankündigung von Minister Rupprechter, demnächst als turnusmäßiger Vorsitzender der Alpenkonvention dafür eintreten zu wollen, dass Bären und Wölfe sich nicht weiter in den Alpen ausbreiten dürfen, muss zurückgezogen werden. "Statt den Wolf zum Sündenbock zu stempeln, sollte gerade der Umweltminister lieber die chronisch unterfinanzierten Herdenschutz-Projekte fördern, die einen Ausgleich zwischen den Interessen von Landwirtschaft und Naturschutz anstreben", zeigt sich Striebel verärgert.
"Schlimmer noch, schätzt Minister Rupprechter die Rechtlage völlig falsch
ein", sagt Beate Striebel, Naturschutzleiterin beim WWF Österreich. "Wolf und
Bär sind äußerst selten, und deshalb streng geschützte Arten nach der
europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Daher ist Österreich verpflichtet,
für ausreichend große Lebensräume und einen "guten Erhaltungszustand" dieser
Wildtiere zu sorgen. Durch entsprechendes Konfliktmanagement wäre das auch ohne
weiteres machbar. Das zeigen erfolgreiche Beispiele aus der Schweiz.
"Unsere heimischen Wälder gehen vor Reh-, Rot- und Gamswild förmlich über." Wenn
man die Rückkehr der großen Beutegreifer zulässt und gleichzeitig die Schafe
durch Herdenschutz-Maßnahmen wirksam schützt, dann müssen sich Wolf und Co.
wieder mehr an ihre natürliche Beute, nämlich an Wildtiere, halten. Damit würden
zugleich die durch Wildbiss verursachten Schäden im Wald verringert, so Striebel.
Außerdem fungieren Bären, Luchse und Wölfe als "Gesundheitspolizei" des Waldes,
weil sie kranke Wildtiere viel effizienter aus dem Bestand entnehmen als jeder
noch so eifrige Jäger. Mit dieser Fähigkeit helfen sie, die Ausbreitung von
Krankheiten zu reduzieren. Ihre Anwesenheit wäre uns demnach sogar höchst
nützlich, so der WWF.
Rupprechter hatte gestern gegenüber der APA seinen peinlichen Sager zu den
Wolf-Konflikten als "aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat" zu rechtfertigen
versucht. Zugleich steht nach wie vor seine von den "Pinzgauer Nachrichten"
zitierte Aussage im Raum, er wolle die Alpenkonvention als Mittel zur Eindämmung
von Wölfen und Bären einsetzen. Der WWF weist darauf hin, dass die
Alpenkonvention für diese Pläne des Ministers die falsche Adresse ist. Striebel
erklärt: "Erstens sieht das Naturschutzprotokoll der Alpenkonvention vor, dass
für einheimische Tierarten – darunter ausdrücklich auch der Braunbär –
ausreichend und genügend große Lebensräume erhalten werden müssen. Zweitens hat
die Alpenkonvention längst eine eigene Plattform ‚Große Beutegreifer,
wildlebende Huftiere und Gesellschaft‘ etabliert, von der seit Jahren
erfolgreich Konfliktlösungsmodelle ausgearbeitet und propagiert werden."
Der WWF bedauert, dass sich Minister Rupprechter der Blockadepolitik mancher
Landwirtschaftsvertreter anschließt, statt im Interesse der Bauern konstruktiv
an der Umsetzung von bewährten Lösungsmodellen mitzuarbeiten. Das wäre sowohl im
Sinne der Alpenkonvention, als auch der EU-Naturschutzrichtlinien. Durch die in
der Schweiz bereits bewährten Herdenschutzmaßen können auch bei gesunden und
weit verbreiteten Wolfs- und Bärenbeständen Schäden an Haustieren gering
gehalten werden.
Hintergrundinformation zur Rechtslage:
Der Wolf ist in Anhang II der FFH-Richtlinie als prioritäre Art gelistet und in
Anhang IV der FFH-Richtlinie als streng zu schützende Art angeführt. Anhang IV
ist eine Liste von Tier- und Pflanzenarten, die unter dem besonderen
Rechtsschutz der EU stehen, weil sie selten und schützenswert sind. Weil die
Gefahr besteht, dass die Vorkommen dieser Arten für immer verloren gehen, dürfen
ihre "Lebensstätten" nicht beschädigt oder zerstört werden. Dieser Artenschutz
gilt nicht nur in dem Schutzgebietsnetz NATURA 2000, sondern in ganz Europa.
Im Rahmen der Alpenkonvention gibt es das Protokoll "Naturschutz und
Landschaftspflege" in denen konkrete Schritte zum Schutz und zur nachhaltigen
Entwicklung der Alpen geregelt werden. Art.14 "Artenschutz" dieses Protokolls
besagt, dass….sich die Vertragsparteien verpflichten, geeignete Maßnahmen zu
ergreifen, um einheimische Tier- und Pflanzenarten in ihrer spezifischen
Vielfalt mit ausreichenden Populationen, namentlich durch Sicherstellung
genügend großer Lebensräume, zu erhalten. Gleichzeitig hat die Alpenkonferenz
die Plattform "Große Beutegreifer, wildlebende Huftiere und Gesellschaft"
etabliert, mit dem Ziel, Fragen betreffend Erhaltung, Schutz und Nutzung großer
Beutegreifer und wildlebender Huftiere aufzugreifen und Lösungen zum Ausgleich
unterschiedlicher Interessenslagen und Nutzungsansprüche vorzuschlagen.
Das Protokoll wurde von der Republik Österreich im Jahr 2002 ratifiziert.
WWF